Umzug in den Offenstall.

Zum Juni bin ich mit meiner Stute Faible endlich in einen Offenstall gezogen. Ich möchte euch von unseren Umzug ins neuen Heim erzählen. Vielleicht kann ich damit einige eurer Fragen beantworten, eine kleine Entscheidungshilfe sein und Vorurteile aus dem Weg räumen.

Es begann alles mit der Entscheidung meinem Pferd ein schönes und pferdewürdiges Leben bieten zu wollen – auch, und besonders gerade dann, wenn ich nicht bei ihm sein kann. Erfahrungsgemäß bezieht sich das bei einem Durchschnittspferdebesitzer auf ca. 20-23 Stunden am Tag. Das ist eine ganz schön lange Zeit.

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Wie bei den meisten meiner Entscheidungen war Faible mit ihrem Verhalten der ausschlaggebende Punkt meines Umdenkens. Die vergangenen Winter waren für uns hart. Faible war oft gefrustet, weil ich ihrem Bewegungsdrang nicht gerecht werden konnte. Eine Stunde am Tag ins Gelände oder auf den Reitplatz gehen, das reichte ihr vorne und hinten nicht aus. Selbst wenn wir ganze drei Stunden unterwegs waren wurde ich ihrem natürlichen Bewegungsdrang damit nicht annähernd gerecht. Auf dem Winterpaddock bewegten sich die Pferde gar nicht, weil sie keine Anreize und auch nicht ausreichend Platz zur Verfügung hatten um zu toben oder zu laufen. Auch hatte Faible keinen dauerhaften Zugang zum Heu. Lange Fresspausen machten am Ende nicht nur ihr, sondern auch mir selbst Bauchschmerzen.

Und so pendelte ich ständig zwischen Uni, Arbeit und Zuhause in den Stall, um meinem Pferd Luzerne zwischen den Malzeiten zu geben und sie damit vor Frust und Magengeschwüren zu beschützen. Mir war deshalb ein dauerhafter Zugang zum Raufutter unglaublich wichtig bei meiner Wahl eines neuen Stalles. Damit gehören Langeweile und lange Fresspausen endlich der Vergangenheit an.

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Bevor wir endlich umziehen durften kamen die neuen Stallbesitzer zu Besuch, um sich Faible in Ruhe anzuschauen. Ich war verdutzt und gleichzeitig begeistert, dass sie ihre neue Hofbewohnerin gerne persönlich unter die Lupe nehmen wollten, um sich von ihrer Herdenverträglichkeit zu überzeugen. Ich war aufgeregt wie vor einem Bewerbungsgespräch, und mir fiel ein großer Stein vom Herzen, als sie mir endlich zusagten. Höchstwahrscheinlich war ich selbst dabei ebenfalls auf meine Herdenverträglichkeit getestet worden… 😉IMG_4441

Der Tag des Umzugs.

Weil der neue Stall durch wunderschöne Wälder zu Fuß zu erreichen war, entschied ich mich für einen Umzug ohne Hängerfahrt. Für die meisten Pferde bedeutet eine Autofahrt großen Stress und ich mochte den Gedanken aus unserem Standortwechsel ein kleines Abenteuer zu machen. Außerdem wollte ich die zurückgelegte Strecke am eigenen Körper spüren und ein bisschen symbolisch in einen Neuanfang starten.

Wie Sarah von “verwandert” stiefelten mein Freund und ich also gemeinsam mit dem Pferd los. Und weil ich so aufgeregt war, folgte sie zwischenzeitlich sogar lieber ihm als mir.

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Faibles “Offenstall im Offenstall”. Für die Eingliederung bekam sie einen eigenen Bereich. Im Hintergrund stehen bereits die ersten Pferde gespannt am Zaun, um ihre neue Mitbewohnerin kennenzulernen.

Faible gab mir in meiner Einschätzung recht: Statt orientierungslos am neuen Stall vom Hänger zu stolpern, wusste sie genau, dass wir uns räumlich weit vom alten Zuhause entfernt hatten. Wir waren knapp drei Stunden lang gut gelaunt und zuversichtlich ins neue Glück gewandert. Gegen Ende der Strecke bemerkte ich, wie unfit Faible zu dem Zeitpunkt war. Durch die zuvor 24-stündigen Weidezeiten auf kleiner Fläche hatte sie sich einen kugelrunden Bauch angefressen, und war trotz ihrer Energie nicht besonders ausdauernd. Rückblickend war ihr Zustand nicht besorgniserregend, aber ein gesundes Pferd sieht in meinen Augen anders aus.

Für die ersten Tage im neuen Zuhause ließ ich uns viel Zeit. Ich schaute oft bei Faible vorbei, damit sie sicher sein konnte, dass ich ebenfalls weiterhin ein beständiger Teil in ihrem Leben bleiben würde. Nach drei Tagen war ihre neue Freundin Candy bereits auch für die Nächte in ihren kleinen Bereich mit eingezogen. Es dauerte etwa eine Woche, bis die Stallbesitzerin Faible tagsüber nicht mehr auf eine Nachbarweide, sondern auch mit den anderen Pferden zusammen auf eine Wiese stellte. Den richtigen Zeitpunkt für die vollständige Eingliederung in die Herde des Offenstalles (Tag und Nacht) entschieden übrigens die Pferde. Erst als sich keines der anderen Tiere mehr an Faibles Anwesenheit störte, wurde Faible in alle Lebensbereiche der Herde integriert. Aufgrund der behutsamen Vorbereitung verlief auch diese Eingewöhnung recht unkompliziert.

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Fellkraulen am ersten Tag: Scheckenstute Candy hilft Faible in den ersten Tagen als “Integrationsbeauftragte” bei der Eingewöhnung. Ihre Freundschaft hält seit dem ersten Tag.

Im nächsten Artikel wird es um unsere ersten drei Monate im Offenstall gehen. Ich habe an Faible erstaunliche Veränderungen festgestellt und möchte euch unbedingt daran teilhaben lassen. Außerdem haben wir vor kurzer Zeit unseren Offenstall in einen Aktivstall umgewandelt und einen 1,3km langen Trail mit Waldstück eröffnet. Auch darüber werde ich euch in einem der nächsten Artikel berichten.

9 Antworten zu “Umzug in den Offenstall.

  • Ich finde es sehr schön, dass du in den neuen Stall spaziert bist 🙂 die letzten Umzüge habe ich auch immer mit Wanderritten verbunden, mein Pferd kam auch ganz entspannt an.

    • Liebe Klaudia, ich würde es auch wirklich immer wieder so machen, auch wenn ich hoffe, dass jetzt für lange Zeit kein Stallwechsel ansteht! 🙂

  • Dein Text hat mich zu Tränen geführt, ich freue mich so sehr, dass ihr diese Haltung für euch entdeckt habt und es Faible so gut tut :-))). : NNnur alle Pferde so toll leben könnten. Es ist so toll, welche Mühe sich Heike und ihre Helfer geben, so eine tolle Haltung anzubieten :-)))))
    Liebe Grüße
    Biene

    • Liebe Biene,
      und ich bin dir sehr dankbar, dass du mir den Tipp gegeben hast! 😉 Wer hätte das gedacht – so ein Stall in meiner Nähe? 🙂 Liebe Grüße!

  • Das brauchst du nicht liebe Miri! 🙂
    Ich denke, es war Schicksal, dass ich durch einen dummen Zufall Heike kennengelernt habe und dass du mich angeschrieben hast, weil du auf der Suche nach einem neuen Stall warst :-).
    Und ich bin mir sicher, dass du über kurz über lang auch alleine auf diesen Stall gestoßen wärst, weil du eine derer bist, der eine pferdegerechte Haltung wichtiger ist, als ein Stall mit 2 Hallen, 2 Plätzen und einem Reiterstübchen :-))) :-*

  • Liebe Miri,

    toller Beitrag! Und tolle Fotos, so ein Gelände wünsche ich mir auch!

    Offenstall, oder noch besser Aktiv-/Laufstall, ist meiner Meinung nach das Beste, was einem passieren kann! Leider ist es oftmals so, dass auf dem ersten Blick alles toll wirkt und sich dann im Nachhinein immer mehr Lügen ans Tageslicht begeben… ich hoffe, dass bleibt euch erspart!

    Wir hoffen, nach vielen Umzügen in den letzten Jahren jetzt auch endlich in unserem Stall angekommen zu sein. Reine Wallachherde mit Laufweg um die Reithalle rum. Bis lang konnte meiner noch nicht in die Herde integriert werden, weil der erste Versuch in die Hose ging, aber ich hoffe, dass das noch vor dem Winter klappt. Und dass wir dann endlich ZUHAUSE sind!

    • Liebe Sarah,

      vielen Dank für deine Worte! Leere Versprechungen gibt es immer wieder, das weiß man vorher natürlich nicht. Aber ich bin zuversichtlich, dass man zusammenarbeiten kann und für die gemeinsame Leidenschaft “Pferd” auch immer eine Lösung findet, sofern man miteinander kommuniziert. Einen Laufweg um die Reithalle haben wir seit Kurzem auch für zwei neue Pferde – das wird auch gerne angenommen und ist in jedem Fall immer besser als die kleine staubige Box.

      Umzüge sind immer Stress für Pferd und Mensch, aber uns hat der Tapetenwechsel ziemlich gut getan. Ich drücke dir die Daumen, dass du deinen Zielen für ein schönes Pferdeleben auch immer näher kommst. Die Pferdewelt verändert sich (endlich), und wir können alle unseren Teil dazu beitragen! 🙂 Ich wünsche euch, dass ihr euch bald auch wirklich angekommen fühlt.

  • Hallo Miri,

    wie ist denn deine Erfahrung hinsichtlich der Gewöhnung? Ich meine, wenn ich einen Wanderritt mache, weiß mein Pferd, dass es irgendwann wieder nach Hause zu seinen Freunden kann. Deshalb bin ich unsicher, ob wir zu Fuß umziehen sollten. Sie kann da eventuell nicht wirklich mit dem alten Stall abschließen, aber vielleicht ist das auch zu vermenschlicht gedacht?
    Der Stress des Transports ist wahrscheinlich das ausschlaggebendere Argument, sodass ich mich wohl auch für einen Umzug zu Fuß entscheiden würde, wäre es möglich!

    Liebe Grüße,
    Lena

    • Liebe Lena,

      ich denke nicht, dass der “Abschied” leichter fällt, nur weil man das Pferd mit dem Hänger fährt – eher im Gegenteil. Das Pferd weiß ja auch normalerweise, dass es wieder nachhause kann, wenn man mal mit dem Hänger zum Turnier (?) oder einem Ausritt fährt. Ich denke die Eingewöhnung in eine neue Umgebung ist für Pferde immer mit Stress verbunden. Für uns war der Weg stressfrei und wir kamen beide nicht energiegeladen an, sondern waren dankbar für eine Pause und das Ankommen. 🙂 Den Hänger wird das Pferd eher mit einem neuen Umzug verbinden, wenn es damit schon einmal einen Standortwechsel erlebt hat, denke ich. Zu Fuß geht es aber schon immer und auch immer wieder vom Stall weg – das ist für Pferde einfach die natürlichere Art sich fortzubewegen, meinst du nicht? 🙂 LG Miri

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