Mein Weg zum Pferd – “Vertrauensarbeit”.

Der liebe Pfridolin Pferd hat mich im Zuge der “Ein Herz und eine Seele”-Aktion von der Pferdeflüsterei nominiert. Tierblogger und andere Schreibsüchtige mit Tieren sind aufgefordert von ihrem Weg zu einem vertrauensvollen Miteinander zu erzählen. Ich schließe mich also gerne an und erzähle euch ein bisschen von Vertrauensarbeit mit meiner Faible.

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Inzwischen legt sich Faible regelmäßig auch direkt neben mir hin. Ein großer Vertrauensbeweis für uns beide. Foto: Katrin Westendorf

Als ich dieses Pferd kennenlernte war es das Gegenteil eines vertrauenden Pferdes. Faible war misstrauisch und sehr darauf bedacht sich selbst zu schützen. Mir zu vertrauen war ihr gar nicht in den Sinn gekommen und auch allen anderen Menschen gegenüber war sie äußerst skeptisch. Das ist inzwischen schon zweieinhalb Jahre her, doch diese Zeit ist mir noch sehr präsent in Kopf und Herz.

Nachdem ich damals als Reitbeteiligung einige Male scheinbar aus dem Nichts im hohen Bogen runtergebuckelt worden war, eine Trense in Panik zerrissen wurde und ich für den Urlaub einen untertassengroßen blauen Fleck als Andenken an dieses besondere Pferd mitnahm, begann ich damit, ihr ebenfalls zu misstrauen. Es folgten Spaziergänge mit Gebiss und Hengstkette und viele Situationen, in denen sie auf zwei Beinen um mich herum sprang und natürlich weitere, kleine Blessuren. Faible sprach es deutlich aus: DIR traue ich nicht!

Und wenn ich ehrlich bin, dann traute ich ihr nach kurzer Zeit ebenfalls nicht mehr.

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Dieses Foto ist in der Zeit entstanden als ich sie die ersten Male in der Halle frei herumlaufen ließ. Damals war sie noch sehr skeptisch. Ihr Blick war noch Lichtjahre von Entspannung neben mir entfernt.

Ich glaube wäre ich nach der Logik und den Bitten meiner Freunde und Familie gegangen, dann hätte ich dieses Pferd sehr schnell wieder aufgegeben.

Es folgte eine lange Zeit des Nachdenkens. Ich machte mich auf die Suche nach Informationen – weniger solche die mir erklärten wie Faible zu diesem Pferd geworden war, sondern Anregungen um ihr mehr Sicherheit und Vertrauen für unsere Zukunft zu schenken.

So begannen wir mit Halfter und Strick loszuziehen, stiegen auf das gebisslose Reiten um und verbrachte Stunden über Stunden zusammen im Wald. Spaziergänge halfen uns sehr einander näher zu kommen. Damals war es mir gar nicht klar, aber heute weiß ich, dass ihr das Reiten als die größte Missachtung ihrer Privatsphäre vorgekommen sein muss. Daran halte ich auch bis heute fest: Wenn das Vertrauen am Boden nicht stimmt, sollte man sich gut überlegen ob es wirklich schon Zeit für das Reiten ist.

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Skepsis pur: “Ich will nicht!” Meine Körperhaltung sagt: “Du musst nicht!”

Auf den Fotos seht ihr uns, wie wir damals “frisch” nur mit Halfter und Strick unterwegs waren. Ich begann ihr Urteil zu hören und gestand ihr langsam aber sicher die Meinungsfreiheit zu.

Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen die Meinungsfreiheit mit fehlendem Respekt gleichsetzen. Natürlich möchte ich nicht, dass Faible meine Sicherheit gefährdet oder mich missachtet.

Verändert habe ich in dieser Zeit aber, dass Faible mir durchaus sagen darf, wann etwas für sie zu früh oder gruselig ist, oder sie ein “Nein-Gefühl” hat. Denn das sind für mich deutliche Anzeichen, genau an diesen Problemen anzusetzen und daran zu arbeiten, dass sich ihr Gefühl bei einer Sache verändert. Ich glaube das Ziel sieht bei uns Pferdemenschen eigentlich oft gleich aus – der Weg dorthin führt uns aber entweder durch Diskussionen oder eben durch viel Zeit und Übungen, die darauf aufbauen das Pferd nicht mundtot zu machen, sondern sein Vertrauen in uns und vor allem in sich selbst zu stärken.

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Weil sie nicht muss, will sie plötzlich doch! 🙂

Es ist gar nicht so wichtig, dass ein Pferd eine Aufgabe noch nicht erfüllen kann. Ich frage mich stattdessen lieber: Wieso ist das Pferd noch nicht in der Lage eine Aufgabe zu lösen?

Oft steckt Misstrauen dahinter, oder das Pferd ist mit der Situation noch überfordert. Und wenn es überfordert ist, dann höre ich auch mit den Forderungen auf und gebe ihm die Zeit die es braucht.

Ein besonderer Moment war das erste Wälzen neben mir in der Halle. Faible war nie entspannt und immer auf der Hut wenn wir zusammen waren. Sich neben mir vertrauensvoll in den Sand zu legen machte mich damals sprachlos und bis heute könnte ich vor Glück die ganze Welt umarmen, wenn sie sich neben mir so wohl fühlt, dass sie sich wälzt oder hinlegt.

Rückblickend kann ich sagen: Unser größter Freund war und ist die Zeit. Vertrauen erhält man nicht mal eben. Es gibt sie nicht, die eine besonders tolle Übung, nach der das Pferd plötzlich mit uns durch dick und dünn geht.

Wer glaubt reines Training würde Vertrauen bringen, der flüstert mehr als dass er zuhört.

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Foto: Katrin Westendorf

Für uns waren Ruhe und bewusste Entspannung wichtige Schritte in der Vertrauensarbeit. Bis heute ist die Entspannungsübung für Faible und mich vielleicht sogar die wichtigste Lektion, wenn wir miteinander arbeiten.

Dir brennt deine eigene Geschichte auf dem Herzen? Ich freue mich davon zu lesen und bin gespannt wie andere Menschen Vertrauen zu ihren Tieren aufbauen.

Ich nominiere Alessa Neuner und Kati Westendorf von Equinality – Zusammenarbeit mit Pferden uns ebenfalls von ihrem Weg zu erzählen, wie sie daran arbeiten, um mit ihren Vierbeinern ein Herz und eine Seele zu werden.

12 Antworten zu “Mein Weg zum Pferd – “Vertrauensarbeit”.

  • Hallo Miri, wie schön, dass du bei der AKtion mitgemacht hast 🙂 Du hast so Recht, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist. Wie bei Menschen auch. Auch da braucht es Zeit, bis wir jemandem Vertrauen. Und dann erwarten wir vom Pferd, dass es uns sofort alles machen lassen soll. Das ist schon komisch… Ganz liebe Grüße, Petra

  • Das ist ja eine tolle Aktion. Du sprichst mir aus dem Herzen. Zeit vor allen Dingen zu zu hören sind so wichtig. Und ich bin auch der Meinung dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet dass Pferd darf ab jetzt machen was es will… Wirklich toll geschrieben!!! :-*

  • Vielen Dank ihr zwei! 🙂

  • Vielen Dank für die ehrlichen und aufrichtigen Worte. Ich glaube, jeder der so ein besonderes Pferd im Leben hat oder hatte, kann jede Silbe nachvollziehen. Toll, daß mal nicht die Übungen sondern die Zeit in den Vordergrund gerückt wird, denn ich glaube auch genau daran liegt es, daß so viele Pferde dem Menschen mißtrauen. Anreiten mit spätestens drei Jahren, das Ganze am besten noch in max. zwei Monaten…! Es gibt keine Übung und keinen Knopfdruck, der das Zuhören und Wahrnehmen je ersetzen kann. LG Susi

  • Liebe Susi, vielen Dank für deinen Kommentar. Die Zeit ist wahrscheinlich (zusammen mit Erwartungen) meist der größte Feind des Reiters. Nehmen wir den Zeitdruck raus, so machen wir oft größere Entwicklungssprünge, weil wir plötzlich bereit für sie sind. Diese Bereitschaft ist das Gegenteil der Erwartung, der Forderung. Viele Güße! 🙂

  • Ein toller Beitrag! Es ist Wahnsinn, wie uns die Pferde lesen können und das man ihnen einfach nichts vormachen kann! Neulich war ich sehr aufgeregt, weil ein Physiotermin anstand und meine Püppi mit der HH massive Probleme hat.. Ich malte mir dich schlimmsten Ursachen aus.. Als ich auf den Paddock ging, um sie zu holen, bewegte sie sich keinen Meter…So sehr ich mich auf meine Atmung konzentrierte und versuchte mein Energielevel in die richtige Bahn zu lenken, es wollte einfach nicht klappen. Sie signalisierte mir ganz klar: "was auch immer es ist, da ist etwas nicht in Ordnung ..mit DIR komme ich nicht mit".. es dauerte sicherlich 10min, bis ich halbwegs authentisch sein konnte und ihr vermitteln konnte, dass nichts schlimmes auf sie wartete. Diese Momente hinterlassen bei mir immer Gänsehaut…wie hat der Mensch doch verlernt, auf die Körpersprache und Energie seines Umfeldes zu achten UND positiv zu sein.
    Vertrauen in sich selbst, authentisch sein, den anderen respektieren und Möglichkeiten der Entfaltung zu geben und auch ein "Nein" zu akzeptieren… das hast du toll geschrieben 🙂 Viele Grüße, Theresa und Fürstin 🙂

  • Ich lese mich grade durch deinen Blog und bin so begeistert!! So vieles spricht mir aus der Seele!!! Mein Traum ist auch vor kurzem wahr geworden: ein eigenes Pferd! Genau genommen ein Pony 😉 Er war seit April meine reitbeteiligung und nun habe ich ihn gekauft. Er ist so toll und unglaublich sensibel. Aber er hat auch schon so einigen Kummer und (ich denke) viele Enttäuschungen vom Menschen erlebt. Er ist ein halber Vollblüter weshalb er schnell nervös und angespannt ist. Letztens wollte ich (ganz motiviert MEINERSEITS) führtraining machen. Er überrannte mich teils fast, wollte nach mir schnappen etc. Total enttäuscht fuhr ich später heim. Erst am nächsten Tag wurde mir klar, dass ihn diese “Forderungen” (ich wollte lediglich dass er mich beim führen respektiert) total ÜBERfordern. Vielleicht kam dazu dass er gar nicht so Lust hatte. Ich habe mir vorgenommen ihm erst einmal Zeit zu geben! Ich glaube, dass genau das uns grade voran bringt. Und ich möchte mich wirklich nicht selbst in den Himmel loben, aber: all diese Erkenntnisse hatte ich ganz von selbst! Jetzt, nachdem ich deinen Artikel gelesen habe, fühle ich mich bestätigt und beruhigt! Danke!!! Ich bin ziemlich allein mit meiner “Denkweise” bei uns im Stall und würde mich jetzt total gern stundenlang mit dir unterhalten <3 so viele Gedanken schwirren in meinem Kopf rum…..
    Ich wünsche dir und vor allem deiner kleinen werdenden Familie alles Gute!!!
    Ich hoffe, dass du trotz Baby bald wieder Kurse geben kannst (Horsebond!?). Aber erstmal werdet nur ihr euch brauchen 😉
    Liebe Grüße aus Bayern,
    Marie
    P.S.: Ich hätte so gern eine/n Trainer/in an meiner Seite. Jemanden, der/die wirklich pferdegerecht arbeitet. Gibt es da irgendein Netzwerk worüber ich fündig werden kann? Über jeden noch so kleinen Tipp bin ich dankbar!!!

    • Liebe Marie,

      vielen lieben Dank für deine so sympathische Nachricht! 🙂 Für Bayern kann ich dir gerne – je nachdem wo du wohnst – meine Kollegin Alessa Neuner empfehlen, aber die kennst du ja sicher schon, wenn du Horsebond kennst!

      Herzlichen Glückwunsch zum wahr gewordenen Pony-Traum! Ich weiß noch genau, wie toll sich das anfühlt!
      Faible und ich haben ja, wie du nun weißt, auch einen längeren Weg hinter uns, der alles andere als 0-8-15 war. Das Zauberwort für uns war wirklich Zeit und Geduld. Du wirst sehen – schon in einem Jahr werdet ihr so viel weiter gekommen sein! Es lohnt sich immer mal wieder zurückzublicken, aber eben auch Vertrauen zu haben, dass die Zukunft und das Leben euch schon in die Karten spielen wird und diese “Stolpersteine des Anfangs” dazugehören und am Ende euren individuellen Weg ausmachen werden.

      Wie die Kursplanung für nächstes Jahr aussieht, dazu möchte ich jetzt noch nicht festlegen, weil das Abenteuer Baby so neu für mich ist – aber du kannst dir auf jeden Fall für das Jahr 2019 (Mai) schon mal unser nächstes Pfernetzt-Wochenende merken! 🙂 Das haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal ausgerichtet und es waren so viele spannende, inspirierende Pferdemenschen auf einem Haufen, dass ich sicher bin, dass du da Inspiration und auch Kontakte zu Menschen aus deiner Umgebung knüpfen kannst! Und ich möchte dir noch den Tipp mitgeben, dass Entfernung heutzutage kein Grund mehr ist, sich nicht austauschen zu können – mir fehlte auch immer ein Trainer in meiner Nähe, der zu uns gepasst hat. Das Internet bietet aber so unglaubliche Möglichkeiten der Vernetzung und der gegenseitigen Unterstützung, dass ich sicher bin, dass du Gleichgesinnte findest, mit denen du dich über deine Themen austauschen und bereichern kannst. Bei Facebook finden sich auch Gruppen, die im Pferdebereich für eine bestimmte Region in Deutschland ausgerichtet sind, vielleicht wirst du da auch fündig?

      Kannst du denn konkretisieren, welche Art der Unterstützung du dir am liebsten wünschst? Dann gestaltet sich die Suche vielleicht noch einfacher.

      Bleib dran und bleib euch treu – ganz liebe Grüße aus NRW!

      Miri

  • P.P.S.: Meine Tochter heißt auch Miriam. Schon allein deshalb bist du mir sehr sympathisch ;-P

    • Hallo Miri, ich bin’s, Marie aus Bayern 😀 Grade hast du mir diesen Artikel auf Patreon empfohlen. Beim Lesen kam er mir irgendwie bekannt vor 😉 Ich habe schon damals kommentiert 🙂 Nun, 2 Jahre später muss ich gestehen wie sehr uns die Zeit verändert hat und wie stark das Band zwischen Silas und mit geworden ist <3 Auch wenn mein größter Traum -mit Silas ausgedehnte Spaziergänge machen- noch nicht wahr geworden ist, so denke ich zur Zeit dass wir kurz davor stehen! Außerdem gibt es sehr viele andere große Dinge, mit denen Silas wieder Frieden schließen konnte. Danke, dass ich durch den Artikel mal wieder sehen konnte, wie vertraut wir inzwischen geworden sind!!!

      • Hallo Marie,
        ist ja witzig! 😀 Und wie schön, dass sich in zwei Jahren schon wieder so viel für euch verändert hat! Bei uns geht die Reise ja auch stetig weiter und ich freue mich schon, euch auf Patreon davon berichten zu dürfen! Hab lieben Dank für deine Unterstützung! ♥️

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