Eifersucht am Pferd – ein Tabuthema?
In uns schlummert ein tiefes Bedürfnis nach Einzigartigkeit. Der Wunsch, jemand Besonderes zu sein, exklusiv zu sein, wenigstens für eine bestimmte Person, wenigstens für unser Tier. Oder gerade für unser Tier. Wir wünschen uns eine Beziehung, die über “die übliche Norm” hinaus geht. Es sollte offensichtlich sein, dass nur wir selbst mit unserem Pferd das höchste Maß an Spaß und Harmonie erreichen können. In unserem Traum von Partnerschaft hat unser Gegenüber nur noch Augen für uns, sobald wir in Sichtweite sind.
Dieser Wunsch ist so tief, dass er ständig unbewusst erzwungen wird. Manche probieren es mit einer Isolation des eigenen Tieres. Wir erkennen an unseren Pferden dann Eigenschaften, mit denen wir scheinbar nur selbst klar kommen. Natürlich sieht unser Pferd das genauso wie wir, so unser tiefer Wunsch. Und manchmal geht dieser Wunsch auf, wenn wir unser Pferd bloß eng genug an uns binden. Wenn es uns so sehr braucht, dass es in eine regelrechte körperliche und vor allem auch emotionale Abhängigkeit geraten ist.
Und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, besteht diese Abhängigkeit am Ende ganz klar auf beiden Seiten. Ohne den Partner funktioniert man nicht mehr.
Im schlimmsten Fall führt dieser Wunsch nach exklusiver Nähe zu einer Eifersucht. Wir machen uns und unsere Tiere/unseren Partner abhängig von unserer Präsenz.
Aber wieso empfinden wir Eifersucht, wenn wir unser Pferd vergnügt und harmonisch mit einem anderen Menschen beobachten? Warum ist es so ein fieses Gefühl, wenn wir sehen, dass unser Liebstes sich mit anderen Menschen ebenso freudig, vielleicht aber sogar noch freudiger austauschen kann als mit uns?
Ich habe mich für euch auf die Suche gemacht, wieso wir zu Eifersucht neigen, sie unsere Beziehungen belastet und was wir gegen sie tun können. Und ich möchte erzählen, wieso ich nicht (mehr) eifersüchtig bin, wenn sich mein Pferd gut mit jemand anderem versteht. Und wieso ich das Problem der Eifersucht auch in meinem Alltag nicht mehr in meinen Kopf lassen möchte.
Wieso empfinden wir Eifersucht, und warum suchen wir die Ursache dafür bei anderen? Unabhängig davon auf wen wir eifersüchtig sind, stehen hinter diesem großen Wort tiefgreifende Emotionen, die wir uns selbst zuliebe bewusst machen sollten.
Selbstzweifel
In der Beziehung zum Tier: Fühlt sich mein Pferd wirklich wohl bei mir? Habe ich den Spagat zwischen klarer Führung und liebevoller Freundschaft angemessen hinbekommen? Weiß es mich zu schätzen? Kann ich gut genug reiten? Bin ich ihm und seinem Wesen gewachsen? Würde es sich auch für mich entscheiden, wenn ich ihm die Wahl lassen würde? Hat es andere lieber als mich? Muss ich ein Weggehen von mir persönlich nehmen? Mag die Katze meine Nähe nicht mehr, wenn sie vom Schoß springt?
In der Beziehung zu Menschen: Kann es wirklich sein, dass ich ihm/ihr genüge? Bin ich eine gute Freundin? Darf ich neben meinen Stärken auch meine Schwächen ausleben, ohne dass ich befürchten muss verlassen und ersetzt zu werden?
Angst
Wenn wir große Gefühle für jemanden haben, egal ob Mensch oder Tier, dann haben wir auch Angst vor Verlust. Manche Partner können wir durch übertriebenen Kontrollwahn in die Flucht schlagen, aber Schutzbefohlene wie unser Pferd haben keine Chance unserer Verlustangst zu entkommen. Wir vergessen in unserer Eifersucht, dass ein Boot im Kreis fährt, wenn nur auf einer Seite kräftig gepaddelt wird. Eine so einseitige Beziehung kann endlos durchgezogen werden, aber sie wird nie den Status erreichen, den wir uns doch im Herzen so sehnlichst wünschen.
Das Wundermittel gegen Eifersucht lässt sich in einem Wort beschreiben:
Vertrauen
Sicher denkt ihr jetzt, dass ihr eurem Pferd/Partner selbstverständlich vertraut. Es sind doch nur die äußeren Umstände, denen ihr nicht vertrauen könnt. Oder die Erfahrungen, die euch Eifersucht spüren lassen.
Oder ihr sagt: “Man muss eifersüchtig sein, wenn man liebt.” – Das ist doch sozusagen der ultimative Beweis für echte Liebe!
Und jetzt sag ich euch, dass ich das andere Vertrauen meine. Das Vertrauen in euch selbst. Denn es geht gar nicht um euer Pferd/euren Partner/eure Freundin/die äußeren Umstände. Es geht um eure eigene Baustelle, die sich Selbstvertrauen nennt.
Studien zeigen: Menschen empfinden deutlich mehr Eifersucht, wenn sie weniger stabil sind, weniger in sich ruhen, wenig kooperativ veranlagt sind und sich nicht als wertvoll und liebenswürdig empfinden. Umso misstrauischer, ängstlicher, neurotischer, selbstkritischer und egoistischer ihre Persönlichkeit gestrickt ist, desto eifersüchtiger sind sie.
Oh je, denkt ihr jetzt vielleicht. Wie kann ich denn mehr Selbstvertrauen bekommen? Und was mache ich, wenn mein Pferd/Hund/Partner tatsächlich lieber mit anderen Menschen zusammenarbeitet und ich nicht leisten kann, was andere können?
Wer sein Gegenüber wirklich ehrlich liebt, der freut sich für den anderen, ohne dass er sich selbst benachteiligt fühlt. Ohne Neid, ohne Schuldgefühl, ohne Eifersucht. Der kann auch aus der Ferne beobachten, wie jemand über sich hinaus wächst, wie er sein Leben genießt, wie er mit sich selbst zufrieden ist und sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt und daran wächst. Neue Kontakte knüpfen dürfen, ohne dass man Angst hat ersetzt zu werden, das schweißt zusammen.
Die Selbstzufriedenheit meines Pferdes konnte ich erst erleben, seitdem ich es in einem Stall untergebracht habe, in dem es mich nicht mehr täglich braucht. In dem es ein Leben führt, in dem ich gar keine Rolle spielen müsste. Und trotzdem weiß ich, dass Faible sich auf mich freut. Das tut sie, weil ich mir selbst und meinen Fähigkeiten als “Mehrwert” für mein Pferd endlich vertrauen kann. Weil ich weiß, dass ihre Bindung zu der Herde und anderen lieben Menschen im Stall keine Konkurrenz für mich ist.
Wer sich in einen Konkurrenzkampf mit anderen begibt, der kann nur verlieren. Selbstvertrauen kann man nicht abgucken und nachmachen. Selbstvertrauen wächst in einem persönlichen, individuellen Prozess. Wer großen Selbstwert ausstrahlt und bei seinem Gegenüber stärkt, der wird sich keine Sorgen mehr darüber machen müssen, ob dieser Wert auch erkannt wird. Wenn unser Pferd unser Selbstvertrauen spürt, dann müssen wir seine Loyalität nicht mehr durch Druck erhalten.
Wer sich seinen Selbstwert bewusst macht, der braucht keine Eifersucht, um zu halten, was er liebt. Eine Beziehung ohne Eifersucht, in der eine Entscheidung für sich selbst keine Entscheidung gegen den anderen ist, empfinde ich als harmonisch und ausbalanciert.
Und plötzlich ist sie da, die Einzigartigkeit und das Besondere. Nicht, weil wir keinen Platz für andere zugelassen haben, sondern, weil wir dem Anderen Raum gegeben haben.
Einen passenden Artikel zum Thema Neid in der Reiterwelt findest du bei Lina von Nordfalben. Auch ich musste schmerzhaft lernen, dass der Neid nämlich die hässlichste Form der Anerkennung ist..
Hallo,
ich habe selten so einen guten Beitrag gelesen, alles exakt auf den Punkt getroffen.Vollkommen richtig das in jedem der Wunsch steht das seine “Beziehung” über die Norm geht, aber das ist nur in einem sehr selten Fall richtig.
Es fällt gravieren auf wie die Pferdeszene die Eifersucht grandiös auslebt. Da ich einen Reitverein in direkter Näher habe beobachte ich nach meiner Jogging Runde die Pferde beim freilaufen, ich muss mittlerweile sagen das es noch spannender ist die Besitzer zu beobachten. Wehe das Pferd kommt an die Bande und will einen Zuschauber anschnuppern, wehe das Pferd zeigt interesse an einem Menschen und wendet sich von seinem Besitzer ab, schon bekommt der Besitzer eine rote Farbe im Gesicht.
Die Pferde sind ja in der Halle um sich einfach nur zu wälzen und sich zu bewegen da die Pferde leider beim schlechten Wetter nicht draussen stehen.
Was ist daran so schlimm das ein Pferd dann auf einen Zuschauer zugeht und Interesse an diesem zeigt.( Ausnahme ein Pferd ist ein Beisser usw)
Was muss man für persnönliche Defizite haben um diese Siuation nicht auszuhalten zu können.
Liebe Anja,
vielen Dank für das tolle Kompliment! 🙂 Der Beitrag lag mir sehr am Herzen, deshalb habe ich mir auch viel Zeit für seine Entstehung gelassen. Was du dort in dem Stall beobachtest, ist leider in den meisten Pferdeställen Alltag. Ich denke die “persönlichen Defizite” trägt jeder in irgendeiner Form und in persönlichem Ausmaß mit sich herum. Für mich sind Pferde deshalb ganz besonders gute “Helfer” auf dem Weg zu einem besseren Selbstverständnis und mehr Selbstvertrauen. Danke, dass du dich in den Kommentaren eingebracht hast, ich habe mich sehr darüber gefreut! 🙂 Liebe Grüße, Miri