Geduldig sein? Wie anstrengend, da hab ich keine Zeit für!
Mittlerweile habe ich sie als meine größte Schwäche und mein wichtigstes Ziel auserkoren – die Geduld.
Es fällt so schwer, immer geduldig zu sein. Warten zu können. Abwarten zu können. Ich bin oft hibbelig und meist ist die Zeit ja doch zu kurz, die man am Stall mit seinem Pferd verbringen kann. “Das Glück kommt zu denen, die warten können” und andere kluge Sprüche kennt man von diversen Grußkarten und als Kind habe ich von meinen Eltern gelernt, auch mal abwarten zu müssen. Ich glaube es ist eine Gabe, wenn Menschen wirklich geduldig sind. Unsere Zeit ist so vollgestopft mit all den Dingen, die jeden Tag von uns bewältigt werden müssen. Dauernd klingelt das Handy, wir wollen nicht warten, und wir wollen auch niemanden auf uns warten lassen.
Zwischen den Terminen mal kurz zum Pferd, das ist für die meisten Reiter nun mal so. Dass diese natürlich viel mehr unserer Zeit verdient hätten, das ist uns eigentlich allen klar, und die meisten von uns haben auch ein schlechtes Gewissen, wenn sie die Zeit mit ihrem Vierbeiner nicht genießen konnten und mit den Gedanken ganz woanders waren. Wenn unser Freund beim Putzen dann nicht brav stehen bleibt während wir energisch über sein Fell schrubben, dann wird unüberlegt schnell die Stimme erhoben und gestraft, schließlich ist ruhig stehen bleiben ja wohl die einfachste Lektion der Welt.. oder nicht?
Aus Sicht des Tieres wirken gestresste Menschen genau so, wie sie sind = nämlich stressig!
Mein Pferd merkt lange bevor es mir selbst klar ist, wie es mir heute geht. Ob ich mit viel Zeit und guter Laune im Gepäck pfeifend ans Tor komme, oder ihm im Laufschritt angekommen energisch das Halfter über die Ohren zerre – da entscheidet sich wahrscheinlich schon, ob unsere gemeinsame Zeit auch eine gute Zeit wird.
Weil mir das (mittlerweile) klar ist, versuche ich bewusst mich auf dem Weg in den Stall schon richtig auf die Fellnase zu freuen. Das mag selbstverständlich klingen, aber oft versteckt sich die Freude in Zeitstress, To-Do-Listen und anderen unangenehmen Alltagsbegleitern. Streift man diese ab, ähnlich wie man eine Arbeitsuniform auszieht, dann hebt man sich auch den ersten Stolperstein im Umgang mit dem Pferd aus dem Weg. Mir ist auch klar, dass wir alle nunmal mit zeitlichen Begrenzungen unser Leben managen müssen, doch hilft es mir selbst mich daran zu erinnern mal bewusst tief durchzuatmen und die eigene Freizeit auch als solche zu erleben.
In der täglichen Arbeit mit Pferden sieht es mit der Geduld wirklich manchmal ziemlich mies aus. Wo man nur hinsieht weisen Reiter ihre Tiere zurecht, sind ungeduldig, weil das Pferd nicht schnell genug das tut, was man von ihm verlangt. Dabei müssen wir uns fragen: Weiß mein Pferd gerade, was ich von ihm will? Habe ich mich (aus seiner Sicht) auch verständlich gemacht? Pferde wollen uns gefallen. Sie möchten am liebsten ein harmonisches Verhältnis zu uns haben, dessen bin ich mir sicher. Es ist so leicht zu sagen: Mein Pferd peilt es einfach nicht! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Problemsituationen meist sehr schnell lösen, wenn ich konsequent das falsche Verhalten meines Pferdes geduldig ignoriere. Wenn ich es mit ruhiger Stimme und Körpersprache immer wieder neu um die Erfüllung der gestellten Aufgabe bitte, und positiv mit viel Stimme und/oder Leckerli bei richtigem Verhalten belohne, lernt es deutlich schneller, als wenn ich ungeduldig mit ihm arbeite und immer wieder negativ betone, dass es die Aufgabe falsch oder gar nicht löst.
Geduldig zu sein ist für mich ein wichtiger Bestandteil, wenn nicht sogar das Fundament sinnvoller Arbeit mit dem Pferd. Beobachtet euer Pferd mal, wenn ihr es vor eine neue Aufgabe stellt. Wie ist die Körpersprache, wie sieht das Gesicht aus? Der “Nachdenkblick” meines Pferdes amüsiert mich richtig, seitdem ich geduldiger an die Sache heran gehe. Pferde lernen ständig, und das braucht Zeit. Sie müssen verarbeiten und über die Aufgabe nachdenken. Mit Geduld funktioniert die Arbeit auch harmonisch, ohne laute Stimme und wilde Gesten. Und mal ehrlich – nicht nur die Pferde sind von unserem Stress und der Ungeduld genervt, sondern es stört auch alle anderen, die sich in ihrer kostbaren Freizeit mit ihrem Pferd ein bisschen Ruhe und Ausgleich wünschen.
Ich finde es sehr stark von dir, dass du deinem Pferd so viel Zeit zum Lernen gibtst!