Eigentlich wollte ich über Ziele schreiben…
aber ironischer Weise muss ich dieses Ziel erst einmal hinten anstellen. Das finde ich gerade schrecklich amüsant, weil ich mir bereits seit Wochen Gedanken zur Zielsetzung mache, und meine Stichpunkte dazu unter anderem diese Sätze umfassen:
“Oft kann es sein, dass sich die kleinen Ziele auf dem Weg auch wieder verändern – schließlich ist der Weg das Ziel. Manchmal halte ich einen Weg für den Richtigen, und ich werde dann (zum Beispiel von meinem Pferd) eines besseren belehrt.”
Ist das immer so? Meiner Erfahrung nach klappt es mit Pferden eigentlich nie ganz genau so, wie man es sich vorher ausgemalt hat. Das wurde mir gestern auf dem Platz mal wieder richtig von Faible unter die Nase gerieben.
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Doch erst einmal muss ich weiter ausholen:
Weil Faible nach meinem Urlaub zutiefst empört und beleidigt über meine Abwesenheit war, und sich dieses Pferd am dritten Tag nach meiner Ankunft zuhause erst so richtig an mein Verlassen erinnerte, bekam ich ihren Ärger zentimeterdick aufs Brot geschmiert. Sie verkroch sich in der hintersten Ecke der Wiese, drehte nicht einmal ein Ohr in meine Richtung und graste noch weiter in ihre Ecke hinein – um mir zu zeigen wie wunderbar sie ohne mich klar kommt. Dass sie sich die zwei Tage zuvor sehr wohl an mich erinnert hatte, und trabend auf mich zu kam – das wollen wir ihrer Ehre zuliebe mal unerwähnt lassen. So schlenderte ich also langsam auf die Herde zu, und spielte ihr Spiel mit. Ich begrüßte überschwänglich ihre Kolleginnen und beobachtete im Augenwinkel, wie sie in ihrem klugen Köpfchen immer wieder abwog, ob es sich nicht doch lohnen würde mich abzuholen. Aber nein – sie hatte kein Erbarmen, auch wenn sie ihren Freundinnen böse Blicke zuwarf. So verbrachte ich tatsächlich über eine halbe Stunde damit, sie zu besänftigen, ganz kleine Brötchen zu backen und sie davon zu überzeugen wie viele tolle Sachen im Stall auf sie warten würden – wenn sie denn so gnädig wäre mit mir mit zu kommen.
Das Ende vom Lied war ein Eiertanz, in dem ich mich immer wieder ein Stück von ihr entfernte und sie Meter für Meter bis zum Tor lockte. Erst da konnten wir zivilisiert und nebeneinander hergehen, und wenn ich daran zurückdenke muss ich lachen – in dem Moment war ich eher ein Häuflein Elend, unfähig zu verstehen, dass ich mit meiner Abwesenheit so sehr in Ungnade gefallen war.
Faible entschied sich am Stall, wahrscheinlich weil ich inzwischen besagtes Häuflein Elend war, dass ihre Strafe nun genug sei, und wir wieder Freundinnen sein können. Wir hatten einen tollen Ausritt und sie war so aufmerksam und umwerfend wie ich es lange nicht erlebt habe. Die folgenden Tage kam sie ausnahmslos sofort zum Tor geschlendert, wenn ich sie rief.
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Nun zu Zielen, die man sich setzt – oder wie ich meist erst in den Sand setzt.
Um unsere Träume zu verwirklichen, müssen wir uns Ziele stecken. So weit so gut. Mein Traum ist nach wie vor das Pferd, welches mit mir Zeit verbringen will, welches mir vertraut, auf das ich mich verlassen kann. An dem Vertrauen arbeite ich mit Faible jetzt seit zwei Jahren – intensiv allerdings erst seit einem Jahr, seitdem sie mir gehört. Wenn ich zurückschaue, “alte” Fotos ansehe, dann bin ich meinem Traum schon unfassbar nah gekommen. Unser gegenseitiges Vertrauen ist definitiv noch ausbaufähig und mit meiner langjährigen Reitbeteiligung noch nicht zu vergleichen – aber wir sind bereits an einem Punkt, den ich mir noch vor einem halben Jahr nicht habe vorstellen können. Sie ist mein Traum, und wir feilen gemeinsam daran herum. Wir bügeln meine Fehler wieder aus, erreichen kleine Ziele und ebnen uns so den Weg auch weitere Ziele am Horizont zu erblicken.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viel motivierender ist, sich wirklich kleine, “machbare” Ziele zu setzen. Den großen Traum vor Augen, kommt man ihm Schritt für Schritt in kleinen Erfolgen näher.
Nun zu meinem Anfangssatz: Oft kann es sein, dass sich die kleinen Ziele auf dem Weg auch wieder verändern – schließlich ist der Weg das Ziel. Manchmal halte ich einen Weg für den Richtigen, und ich werde dann von meinem Pferd eines besseren belehrt. Also versuche ich achtsam auf das Pferd zu hören, um Irrwege zu erkennen und einen anderen Lösungsweg zu finden.
Gestern bin ich zur Wiese gegangen, ohne damit zu rechnen, dass sich Madame freiwillig zu mir begibt. Ich habe eher damit gerechnet, dass sie sich wieder von mir abholen lässt. Ich hatte keine Erwartungshaltung, und so kam es, dass sie auf mich zu lief und ich mich (wieso auch immer) direkt umdrehte und Richtung Tor ging. Sie versuchte sofort Schritt zu halten und fiel in einen leichten Trab, immer die Nase an meinem Rücken. Sie schob mich regelrecht zum Ausgang und ich war so erfreut und so zufrieden, dass ich gut gelaunt mit ihr zusammen das Stück lief, und erst außerhalb des Tores aufhalfterte und mit ihr zum Stall ging.
Hier müsste mein Artikel enden. Leider sollte ich aber gestern wieder etwas lernen.
Beschwingt von der tollen Begrüßung entschloss ich mich zu Bodenarbeit auf dem Platz. Im Kopf mein Ziel vor Augen – Faible galoppiert leichtfüßig neben mir her, ist ganz bei mir und wir tanzen regelrecht gemeinsam über den Platz. Pustekuchen.
Ich wurde schnell ungerecht, Faible versuchte eng bei mir zu stehen und mir in meinem Gedankenwirrwarr beizustehen. Ich hatte weder ein Konzept im Kopf, noch wusste ich was genau ich von ihr wollte. Ich schob sie immer wieder von mir weg, wurde grob und unfair. Sie verstand nur Bahnhof und fuhr ihre Energie bis auf den Nullpunkt runter. Andere Einsteller sagten mir: Sei nicht traurig, das ist das Wetter. Das ist der Fellwechsel. Die sind alle so. Also gut, dachte ich, dann lasse ich sie frei. Mal sehen was sie machen will.
Faible tat das einzig Sinnvolle – sie lief buckelnd wie eine wilde Hummel über den Platz und wusste gar nicht wohin mit ihrer Energie – Hauptsache nicht bei mir stehen! Ich kann es ihr nicht verübeln – ich war in dem Moment grottenschlechte Gesellschaft gewesen. Sie erteilte mir eine Lektion, und ich habe einen Tag gebraucht, bis ich sie verstanden habe. Meine Stichpunkte zur Zielsetzung waren nicht falsch, aber ich hatte schlichtweg nicht von ihnen Gebrauch gemacht.
Damit mir im Umgang nicht schon bald dasselbe erneut geschieht, versuche ich mal in Stichpunkten zu formulieren, wie ich mit Zielen umgehe:
– Träume/Ziele definieren!
– Plan ausarbeiten: Brauche ich Hilfe (bei der Umsetzung oder schon in der Planung?)?
– In welcher Zeit können mein Pferd und ich das schaffen?
– Welches Pensum schaffen wir (sowohl Pferd als auch Reiter), ohne enttäuscht zu werden oder die Motivation zu verlieren?
– Rückschläge als Chance sehen, zu lernen und Probleme anders zu lösen (neue Wege gehen!)
– Pferde- (und Reiter-) Seele nicht vergessen! Oft tut ein Ruhetag, eine Schmuseeinheit oder ein schöner Spaziergang besonders gut, wenn man sich an einer Lektion oder Aufgabe festgebissen hat.
– Kleine Zwischenziele stecken und (auch kleine) Erfolge würdigen!
Abschließend muss ich sagen, dass mir Gespräche mit Mitreiterinnen besonders gut tun. Weil man sich nicht jeden Tag sieht, bemerken sie Erfolge oft längst bevor ich sie mir selbst bewusst gemacht habe. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist für mich unglaublich wichtig geworden, und auch auf die Gefahr hin, dass ich zu viel rede, und mich zu sehr auch für andere Pferde-Mensch-Paare interessiere, so hoffe ich dass sich nichts daran ändern wird, dass wir unsere Leidenschaft auch weiterhin wild diskutieren und teilen können! <3
Wunderschön geschrieben!!