Qualität statt Quantität?

Wahrscheinlich trete ich mit diesem Thema einigen Pferdemädchen auf den Schlips. Oder auf den 18. Stirnriemen ihres Glitzerponys. Wie auch immer – ich schreibe es mir trotzdem von der Seele und hoffe es regt zum Nachdenken statt Aufregen an! 🙂

Unsere Gesellschaft ist leider sehr geprägt von Luxus und Masse, in meinen Augen oft auch anstelle von Klasse. Haben haben haben, lieber jetzt als gleich, denn schon morgen könnte der Trend wieder out sein. Ich kann mich selbst nicht frei davon sprechen – auch in meinem Kleiderschrank hängen Fehlkäufe. Auch wenn ich versuche den Fokus auf gute Qualität zu legen, rutscht wie von Zauberhand immer wieder auch etwas dazwischen was nur kurze Zeit hübsch ist und ebenfalls auch nur für diese Zeit hält.

Was bedeutet das für die Pferdewelt?
Ja, ein Pferd komplett in einer Farbe einzukleiden sieht schick aus. Ja, es macht Spaß. Es ist wie ein Virus und besonders wir Mädels haben da echt ein Problem. Wahrscheinlich können wir nicht mal was dafür denke ich mir manchmal. Aber dafür können wir alle was dagegen, meint ihr nicht?

Überall sieht man unpassende Sättel, Trensen und Gebisse über deren unterschiedliche Wirkungsweisen niemand nachdenkt – wieso auch? Sieht doch schick aus! Außerdem hat das Foto 500 Likes bei Facebook ergattert, so falsch kann es wohl nicht sein.

Ich frage mich: Braucht ein Pferd 10 verschiedene Halfter? Reichen nicht auch weniger Schabracken, die lange halten, und die von wirklich guter Qualität sind? Mein Pferd zumindest kann immer nur eine Schabracke tragen und wahrscheinlich bin ich mit dieser Erfahrung kein Einzelfall. Zwei bis drei neue Schabracken können schon den Sattler bezahlen – inklusive kleiner Änderung, damit das gute Stück wieder perfekt auf unser geliebtes Pferd passt und ihm keine Schmerzen oder Druckstellen zufügt. Oder man könnte das Geld in wirklich guten Reitunterricht investieren, damit das Pferd nicht nur von außen glänzt.

Auch die Qualität des Reitens wird nicht besser nur weil man bis zur Erschöpfung trainiert. Gutes Aufwärmen und eine 20- bis maximal 30-minütige Einheit, in der man sich wirklich auf das Pferd konzentriert, kann die entscheidenden Durchbrüche bringen. Es bewahrt uns ebenso davor uns an einer Lektion festzubeißen und bis zum Abwinken zu trainieren, ohne dabei zu merken, dass wir womöglich die ganze Zeit falsche Fragen an das Tier stellen. Für unsere Muskeln und unser Gehirn ist eine Stunde ebenso kräftezehrend wie für das Pferd, welches sich, wenn wir es fragen würden, eh lieber für mehrere kurze Einheiten am Tag melden würde, anstatt eine lange Trainingseinheit durchzustehen.

Wessen Anerkennung möchtest du erlangen?
Wer soll dir ein “Like” schenken?

Wir haben also die Wahl, ob wir uns für Qualität oder Quantität in Sachen Pferd entscheiden. Qualität kostet Geld, bleibt uns fast ewig erhalten und wird uns auf lange Sicht weiter bringen. Quantität stillt kurzfristig den Durst nach einem schnellen Erfolg, einem anerkennenden Blick der Stallfreundinnen, oder beschert uns neue Likes bei Facebook. Qualität braucht seine Zeit und hält auch seine Zeit – schließlich lernt kein Pferd an einem Tag die Piaffe.

Es braucht einen langen Atem und Ausdauer um Qualität in der Arbeit mit Pferden zu schaffen. Geduld, Fleiß und Ausdauer bringen irgendwann die wahren Reitmeister hervor, die demütig und voller Stolz von sich behaupten können, sich für Qualität entschieden zu haben.

Im Procavallo Blog könnt ihr HIER ebenfalls über dieses Thema lesen – darüber sollte man sich auch im Nicht-Pferdeleben Gedanken machen finde ich.

 

11 Antworten zu “Qualität statt Quantität?

  • Perfekt auf den Punkt gebracht!
    Das sollten sich einige definitiv mal zu Herzen nehmen BEVOR die 20ste Eskadron Schabracke mit passendem Halfter einzieht!!!

  • Witzig: Ich lese und lese und lese, nicke und nicke, komme beim letzten Satz an und denke: "Nö!" Ich finde, dass das alleinige Einreiten von Pferden eine Kunstform sein kann – nämlich dann, wenn man es so optimal gestaltet, dass es das Pferd optimal versteht. Und ich denke, dass auch (oder besser vor allem) hohe Lektionen für Pferde in lästigem Drill ausarten können. Gerade beim Einreiten bedingt Quantität Qualität. Je häufiger man es macht, desto besser wird man. Wobei, das gilt für vieles – auch für hohe Lektionen. VG! Nadja

  • Nadja, ich stimme dir zu! Gutes Training beginnt sicher, sobald man den ersten Schritt der Ausbildung geht. Der letzte Satz ist auch ein bisschen in die Richtung gedacht, dass viele die Geduld verlieren, oder vielleicht auch die Muße, einen wirklich langen Weg mit mit dem Pferd zu beschreiten. 🙂

  • ich war letztens genau am Monatsanfang In einem großen Dressurstall. Erst habe ich gedacht, die ganze Stallgasse solle neu bevölkert werden, soviele Taschen, Decken und Zubehör wurde in den Stall getragen. Es dauerte lange bis ich dahinter kam, das die ganzen Menschen und Sachen nur für ein Pferd da sein sollten. gefühlt hatte das Pferd mindestens 2 Besitzer und sechs Reitbeteiligungen. Auch da wäre weniger bestimmt mehr.
    Aber ich gebe zu, ich bin letztes Jahr auch dem Farbenrausch erlegen und habe meinen Ponys jeweils eine neue Satteldecke (wirklich eine tolle Qualität sehen beide noch wie neu aus) und zwei dazu passende Gerten für meine Tochter und mich gekauft. Dafür habe ich ein den Spott meiner Reitlerin ertragen, die dann bei derselben Firma eine Satteldecke gekauft, war wohl doch von der Qualität überzeugt. 🙂
    Da ist Qualität beim Reiten doch deutlich schwerer zu erlangen. Aber ich bemühe mich, auch das diese (Reit-)Zeit die wir miteinander verbringen, für mein Pferd Qualität besitzt. Liebe Grüße sabine

  • Liebe Sabine, ich finde es toll, dass du schreibst "für mein Pferd (!) Qualität besitzt" – der Fokus sollte doch nicht nur auf unserem Spaß und Ehrgeiz liegen, (oder eben der Anerkennung der anderen Reiterinnen), sondern das Pferd sollte von uns begeistert sein! 🙂 Das zumindest versuche ich täglich immer wieder neu zu erreichen.

  • Hallo Miri,

    ich bin durch den Artikel von Provavallo gerade auf diesen Artikel gestoßen. Großes Lob!

    Ich würde mir so wünschen, dass mehr Pferdefreunde und Reiter so denken würden.

    Ich habe mir für mein erstes eigenes Pferd alles neu kaufen müssen und alle haben mir gesagt, dass ich bestimmt von der nächsten Messe mit tausenden Dingen wieder komme. Ich habe dort überhaupt nichts gekauft! Dieser Kosumwahn und die meist schlechte Qualität haben mich total abgeschreckt und mich nur darin bestärkt, mir viel Zeit zu nehmen und die paar wenigen Dinge, die mein Pferd wirklich benötigt, mit guten Gewissen in Ruhe auszusuchen, auch in der Hoffnung in den nächsten Jahren und Jahrzenten nichts Neues kaufen zu müssen.

    Viele Grüße Saskia

  • Liebe Saskia,

    in der Theorie klingt das auch recht einfach, aber manchmal wird man eben echt erschlagen mit Angeboten und (modischen?) Neuerscheinungen.. Ich bin froh, dass immer mehr Reiter auch reflektieren, ob ihr Pferd überhaupt Bandagen oder 15 Schabracken braucht. Viele Grüße zurück! 🙂

  • Ja, man wird definitiv erschlagen und ich habe wirklich Tage im Internet zugebracht, um das richtige zu finden. So wirklich Spaß hat das auch nicht gemacht 😉

  • Ich habe diesen Blogbeitrag leider erst jetzt gefunden, würde aber trotzdem gerne ein Kommentar hinterlassen. 🙂
    Ich stimme dir in den meisten Punkten zu, allerdings würde ich nicht verallgemeinern, dass Leute die 10/15 Schabracken haben automatisch sonst nichts für ihre Pferde übrig haben. Ich kaufe auch sehr gerne eine neue Schabracke für meine Pferde, sie bekommen relativ oft eine neue, dennoch werden meine Pferde sehr viel vom Boden aus gearbeitet, die eine wird nur ausgeritten und vom Boden gymnastiziert (da sieht man das es mir 100 mal wichtiger ist wie es meinem Pferd geht als welche schabracke oben liegt). Sie sind in einem super Stall mit 16-24 Stunden Koppel, werden akademisch gearbeitet, haben jede Woche eine Stunde, werden gebisslos geritten, werden regelmäßig geimpft/entwurmt usw. Trotzdem haben sie viele Schabracken. Das wohl meiner Pferde geht natürlich vor, dennoch finde ich überhaupt nix verwerfliches daran ein neues Set/eine neue schabracke zu kaufen. Sobald das wohl des Pferdes gesichert ist. Ich hoffe man versteht was ich sagen möchte, fande das bisschen zu verallgemeinert. Nur weil man viel von Eskadron hat zum Beispiel heißt das nicht das man keinen Wert auf die Qualität der Ausbildung von Pferd und Reiter legt. 🙂

    • Liebe Tanja, wie du sehen kannst, ist dieser Blogbeitrag schon über 2 Jahre alt und so wie er hier steht, würde ich ihn auch nicht noch einmal schreiben. 🙂 Ich verstehe was du meinst, diese Zeilen hatte ich mir damals von der Seele geschrieben, als ich um mich herum den Blick für Qualität vermisst habe. Dass man keinen Wert auf die Qualität der Ausbildung von Pferd und Reiter legt, nur weil man sich gerne neue Schabracken kauft, ist sicher für dich selbsterklärend. 🙂 Liebe Grüße, Miri

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