Ein Angebot.

Will ich, dass das Tier mit mir Zeit verbringt, oder möchte ich, dass das Tier Zeit mit mir verbringen will?

Ich war immer der Meinung liebevoll mit Tieren umzugehen. Auch wenn ich bis vor zwei Jahren nicht besonders intensiv über Tierverhalten nachgeforscht habe, kam ich auch so immer ganz gut zurecht, weil ich aus dem Bauch heraus mit ihnen umgegangen bin. Mein Kater beispielsweise zeigt mir deutlich, dass er sich freut, wenn er mich sieht. Auch wenn ich tage- oder wochenlang nicht das Haus meiner Eltern betreten habe, maunzt er mich zur Begrüßung an, und lässt sich dann von mir stundenlang wie ein Baby durchs Haus tragen. Er ist dann überglücklich, einfach nur ganz nah bei mir zu sein, und erhält dafür von mir weder Leckerlies noch Clickergeräusche. Wir sind Buddies, er kennt mich gut. Ich kann ihn lesen, er ist wie ein offenes Buch für mich. 
Zeit zusammen verbringen, ohne dass wir etwas von einander verlangen.
Als ich vergangenen Sommer kurz ungeplant reingeschneit bin, rief ich nach ihm, und wusste, dass etwas nicht stimmte. Nicht, weil er auf mein Rufen hin nicht angaloppiert kam – das kann durchaus passieren, wenn man eine faule Katze ist – sondern weil ich so ein Gefühl hatte. Einfach so ein komisches Gefühl.
Ich fand ihn in einem ruhigen Zimmer auf einem Sessel. Er freute sich mich zu sehen, rührte sich aber nicht vom Fleck. Sofort drehte er sich auf den Rücken, damit ich ihn kraulen konnte, und ich sah sein Bein, das wie ein Reisverschluss ca. 10cm aufgerissen war. Die Tierärztin verschrieb dem Kater starke Schmerzmittel, Ausgehverbot, mehrmals täglich Reinigung und Versorgung der Wunde, und einen dieser fiesen, katzenunwürdigen Trichterkragen. Er hat sich unglaublich schnell erholt, und mich kein einziges Mal gekratzt, als ich ihm die Salbe mitten in die Wunde geschmiert habe. Wer Katzen kennt, weiß, wie wenig sie sich gefallen lassen – noch dazu unter Schmerzen.
Doch wieso erzähle ich euch diese Anekdote, die doch rein gar nichts mit Pferden zu tun hat?
Hier frage ich Jack, ob er sich ein bisschen mehr versammeln kann. Meine Körpersprache reicht aus, um ihm zu erklären, was ich von ihm möchte.

Für mich ist es immer wichtiger geworden, mich auf meine Gefühle zu verlassen. Dem eigenen Bauchgefühl zu trauen. In den eigenen Körper hineinzuhorchen. In den Körper meines Freundes hineinzuhorchen. Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht stimmt – auch wenn mir in dem Moment kein superschlauer Grund einfällt wieso das so ist – dann versuche ich dem Gefühl nachzugeben. Je mehr ich über Pferde lerne, desto schwieriger fällt es mir manchmal, mich auf mein Bauchgefühl zu besinnen, weil ich dann Fakten im Blick habe.

Wenn ich aber das Gefühl habe, mein Pferd hat heute überhaupt keine Lust mit mir zusammenzuarbeiten, dann versuche ich den Grund dafür zu finden. Sofern körperlich alles in Ordnung ist, versuche ich ihm Alternativen anzubieten, oder die gemeinsame Einheit in Frieden zu beenden. Oft höre ich, man muss aufhören wenn es am besten ist. Da stimme ich zu. Wenn etwas ganz toll klappt, dann sollte man es genießen, im Herzen abspeichern und langsam zum Ende kommen. 
Doch wenn etwas einfach nicht klappen will?
Hier üben wir beide, uns auf “K(n)opfdruck” zu entspannen. Alle diese Bilder von Jack und mir sind innerhalb von 10 Minuten entstanden. Sie zeigen deutlich, dass man die Energie rauf und runter fahren kann, ohne Motivation einbüßen zu müssen. Ich habe planlos gearbeitet, einfach nur nach Gefühl.

Pferde möchten Zeit mit uns verbringen, dessen bin ich mir sicher. Sie sind neugierig, haben Spaß an neuen Aufgaben, und lernen gerne dazu. Das ist mein Gefühl, und ich nehme es mir heraus, diesem Gefühl zu vertrauen.
Das Pferd ist immer ein Pferd, es reagiert immer nach Gefühl. Kommen wir Menschen auf das Spielfeld, sind wir auf einmal zwei verschiedene Wesen, die auf irgendeine Weise kommunizieren. Wir haben es selbst in der Hand, mit der Grundneugierde und Aufgeschlossenheit des Tieres zu arbeiten. Wir treffen die Entscheidung, ob das Pferd mit uns arbeiten soll, weil wir es von ihm verlangen, oder ob wir es begeistern können, damit es mit uns arbeiten möchte.
Es liegt in unseren Händen, ob wir dem Pferd gefallen wollen, oder ob uns die Meinung von Zuschauern wichtiger ist.
Zusammen um die Wette laufen und bocken und Lebensfreude zeigen ist auch mal erlaubt! Kurz danach trabt Jack wieder auf mich zu und fragt: Was nun?

2 Antworten zu “Ein Angebot.

  • Hach! Wieder so ein schöner Artikel, der mir aus der Seele spricht. Ich danke Dir! Dieses Gefühl zwischen: Das Pferd soll und man muss doch immer so konsequent sein..und dem Bauchgefühl, dass man manchmal auf das hören soll, was einem das Gefühl sagt und entspannen sollte – ist so schwer. Die Waagschale zu finden zwischen dem, was die regeln sagen, dem was das Pferd braucht um sich wohlzufühlen und das Wissen einzuschätzen was richtig ist, das alles ist so schwer. Aber Dein Weg ist vermutlich genau der richtige 🙂 Alles LIebe, Petra

  • Liebe Miri,
    wunderbar geschrieben und Du hast so Recht: man sollte immer seinem Gefühl vertrauen! Und wenn man einmal mit einem Pferd gearbeitet hat, eben weil es das auch will, möchte man gar nicht mehr anders mit Pferden arbeiten! Es ist immer wichtig, darauf zu achten, wie das Pferd reagiert. Doch die meisten Pferde kennen das Spielen mit dem Menschen gar nicht, sonder nur Arbeit unter Zwang. Da braucht es manchmal ein wenig, bis sie aus sich rauskommen und auf einen zukommen, mit einem spielen. Aber das ist dann so wunderbar, und macht so Spaß, dass man gar nichts anderes mehr machen will! Ich habe mit meinem Pferd auch oft und gerne gespielt, und unsere Bindung wurde noch besser dadurch. Schließlich macht zusammen Spaß haben einfach Spaß! 🙂
    Danke für den Bericht und die schönen Bilder,
    line

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